Bissverletzungen
Tackern oder nicht – das ist hier die Frage
Im Eifer des Gefechts gehen mit dem ein oder anderen Jagdhund schon einmal die Pferde durch und das von Herrchen oder Frauchen erlegte Stück Wild wird verteidigt. Nicht selten kommt es dann zu Beißereien unter den konkurrierenden Hunden.
Häufig höre ich Sachen wie „da mache ich gar nix“ oder „zu Hause mache ich Blauspray drauf“ oder auch die sehr beliebte Variante „für so was habe ich einen Tacker“, aber ist das die beste Vorgehensweise für unsere Hunde? Gehen wir die Sache mal systematisch durch:
1. Man unterteilt Wunden (vereinfacht) in sauber, kontaminiert oder infiziert. Saubere Wunden sind die Wunden die zum Beispiel bei einer geplanten OP nach der Hautdesinfektion mit einem sterilen Skalpell gesetzt werden. Kontaminierte Wunden sind Wunden, die eben nicht unter solch sterilen Bedingungen entstanden sind. In diesen Wunden befinden sich Bakterien, diese vermehren sich aber (noch) nicht und der Körper zeigt keine Reaktion. Bei einer infizierten Wunde haben wir eine Besiedlung mit Bakterien, die sich auch vermehren und der Körper reagiert mit einer Abwehr- oder Entzündungsreaktion hierauf.
Da die Maulhöhle des Hundes immer mit Bakterien besiedelt ist sind wir in der Sekunde des Bisses immer automatisch schon in der Kategorie kontaminierte Wunde. Wird die Wunde jetzt in Eigenregie einfach zu getackert, finden die Bakterien das richtig super. Sie fühlen sich pudelwohl, vermehren sich fleißig und Sorgen für eine Infektion. Wird jetzt erst der Tierarzt hinzugezogen, ist nur noch Schadensbegrenzung möglich und mit einer Wundtoilette ist es nicht getan, hier muss chirurgisch herangegangen werden – und das in weit aus größerem Maße als es initial der Fall gewesen wäre. Das beliebte Blauspray gibt es in zwei Varianten, entweder echtes Blauspray (nicht freiverkäuflich) welches ein Antibiotikum enthält, oder freiverkäufliches, welches einfach nur blau eingefärbter Alkohol ist. Das es nicht mehr zeitgemäß ist, vorbeugend irgendwo mit der „Antibiotika-Gießkanne“ drauf zu hauen (Resistenzen!!!) ist den meisten klar. Aber auch das freiverkäufliche, eingefärbte Alkoholspray ist alles andere als sinnvoll, da die Zellen die eigentlich für die Wundheilung sorgen sollen eben genau von diesem Alkoholgemisch zerstört werden. Das passiert im Übrigen auch bei Wasserstoffperoxid. Es gibt eine Fülle an besseren Alternativen (z.B. Wundreinigungsmittel auf Basis von Polyhexanid). An dieser Stelle ist die obige Variante „da mache ich gar nichts“ diejenige, die wahrscheinlich am wenigsten Schaden anrichtet.
2. Oberflächlich klein aussehende Löcher können in der Tiefe, also unter den Hautschichten im Bereich der Muskulatur oder Eingeweide, massive Schäden überdecken. Gerade wenn es ein großer Hund gegen einen kleinen Hund war und im ungünstigsten Fall auch noch ein kräftiges Schütteln mit im Spiel war, so ist die kleine Zahnfurche an der Oberfläche nur die Spitze des Eisbergs. Hier muss ein Profi ran und die Wunde inspizieren, um einen unentdeckten Blutungsherd oder eine Infektionsquelle auszuschließen.
3. Stichwort Ausschließen: Bisswunden sollten im Idealfall geröntgt werden, insbesondere Bisswunden an den Gliedmaßen. Warum? Gar nicht so selten steckt noch ein Zahn des Kontrahenten in der Wunde oder dem darunter liegenden Knochen. Steckt der Zahn noch drin, so wird die Wunde nicht heilen.
4. Unter Punkt 2. habe ich schon einmal das Schütteln erwähnt. Hierdurch können nicht nur schwere Weichteilverletzungen entstehen, sondern auch knöcherne (Halswirbelsäule). Auch Komplikationen wie ein Schütteltrauma (Gehirnverletzung) können auftreten. Wurde bei der Beißerei also beobachtet, dass ein Hund den anderen geschüttelt hat, haltet lieber einmal Rücksprache mit Eurem Tierarzt.
5. Wo ein Biss ist, ist auch ein Gegenbiss. Findet ihr also ein Loch, muss immer nach dem zweiten Loch gesucht werden – nichts ist ärgerlicher, als im dichten Fell den Gegenbiss zu übersehen, so dass dieser unbemerkt vor sich hinbrüten kann. Ist eine Bisswunde erstmal so richtig infiziert, muss auch die Tierärztin den großen chirurgischen Hammer auspacken (Aufschneiden, auffrischen, Spülen, Drainage usw.).
Fazit: In der Regel heilen kleinere Bissverletzungen natürlich sehr gut aus. Es schadet trotzdem nicht, wenn ein Tierarzt die Wunde einmal anschaut und den gesamten Hund einem Check unterzieht. Mit dem Wissen, was ihr jetzt habt fällt es Euch sicher leichter zu entscheiden was Ihr im Falle das Falles tun könnt und was man besser bleiben lässt.